#094 Mäth Gerber

Mäth Gerber

#094 Mäth Gerber

3 Gedanken zu „#094 Mäth Gerber

  1. Hallo Klausa und Mäth,

    vielen Dank für diesen offenen und intensiven Talk.
    Danke, Mäth, für dein ehrliches Teilen deiner Geschichte. Es tut mir einfach sehr sehr leid, was du erleben musstest.
    Ich habe auch noch eine direkte Frage zu einem Punkt, den du im Bonus-Talk 2 angesprochen hast: Du hast gesagt, dass du mehr Mühe damit hast, wenn Homosexuelle intolerant in Bezug auf dein Christsein sind, als wenn Christen intolerant in Bezug auf deine Homosexualität sind.
    „Christ“ oder „Christlicher Glaube“ sind ja keine geschützten Begriffe und auch nicht klar offiziell definiert. Ich denke, da gibt es einfach viele Vorurteile und Missverständnisse. Wie würdest du denn selber dein Christsein definieren? Was verstehst du unter einem Christen, was macht für dich christlichen Glauben aus, und was genau stört die Menschen in der „homosexuellen Szene“ an dem, wie du Christsein verstehst?
    Das würde mich einfach interessieren. Immerhin ist das, wie dir von klein auf (und das ist wahrscheinlich die Ursache des schlechten Gewissens) der christliche Glaube gelehrt und vorgelebt wurde, ja mitverantwortlich für den jahrzehntelangen inneren Kampf und Schmerz, den du erlebt hast. Was bedeutet für dich heute Christsein, wenn du dich eben in dieser Szene als ein Christ outest und wofür genau bekommst du dann Ablehnung?

    LG Claudia

  2. Liebe Claudia
    Vielen Dank für deine Rückmeldung und deine spannende Frage. Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach. 🙂
    Ich erlebe es so, dass die queere Community dem Christentum generell sehr kritisch gegenüber steht. In meinen Augen führen folgende Punkte dazu:
    – Die Kirche ist für viele alt, verstaubt und konservativ
    – Die Medien berichten über die Kirchen oftmals negativ (z.B. Missbrauch)
    – Viele sehen die Bibel als ein Buch, welches irdischen Spass verbietet oder zumindest extrem einschränkt
    – Egal ob an einer Pride oder sonstigen Queeren-Events gibt es immer wieder „Christ:innen“ welche demonstrieren, Schwule als Sünder bezeichnen und zur Umkehr aufrufen.

    Ich bin überzeugt, dass diese Dinge zu einer grundlegenden Skepsis und Ablehnung dem christlichen Glauben gegenüber führt und die Menschen, welche mit dem christlichen Glauben nichts am Hut haben, schwer differenzieren können zwischen solchen und solchen Christen.

    Nun, was ist ein/e Christ/in? Hierfür kann ich dir keine Definition geben und schon gar nicht sagen, was ich als „wirkliche/r Christ/in“ betrachte und was nicht. Ich merke in meinem Umfeld immer wieder, dass sie auch nicht gross differenzieren. Sobald jemand etwas mit Kirche/Glaube zu tun hat, werden sie kritisch. Mir gegenüber kommen dann manchmal auch Aussagen wie: „Du bist aber ja gar kein richtiger Christ. Du bist ja schwul und hast Sex ausserhalb der Ehe“. Das zeigt mir, wie unreflektiert sie in diesem Thema sind und ihre Reaktion auf einer grundlegenden Ablehnung dem Christentum gegenüber besteht.

    Gerne darfst du mich für eine weitere Diskussion auch persönlich noch kontaktieren.

    Mäth

    1. Hallo Mäth,

      vielen Dank für deine Antwort (die mich nicht so ganz befriedigt hat, weil es mich ja interessiert hätte, was es für DICH persönlich bedeutet, Christ zu sein ;-)).
      Die Vorbehalte der homosexuell orientierten Menschen kann ich nachvollziehen. Ich arbeite viel mit religiös traumatisierten Menschen und mache immer wieder die Erfahrung, dass es ihnen nur selten gelingt, wirklich gute Gespräche mit der potentiell retraumatisierenden „christlichen Welt“ zu haben. Und ich denke, es liegt viel daran, dass nicht wirklich geduldig und differenziert erklärt wird, worüber man genau spricht, wenn man Begriffe wie „Christ“, „Glaube“, „Gott“ oder „Bibel“ sagt. Das ist wie wenn jemand sagt, er mag keine Ausländer, weil er bestimmte negative Erfahrungen gemacht hat, gleichzeitig aber freilich gern seine Post vom freundlichen türkischen Paketfahrer entgegennimmt oder chinesisch essen geht.
      Mutig, differenziert und ehrlich zu kommunizieren, ist grundsätzlich schon eine Kunst. Wenn Menschen verletzt sind und sich ausgegrenzt oder bedroht fühlen, wird es noch schwieriger.

      Übrigens finde ich es super toll, dass dein Bruder sich auf eine persönliche Veränderung eingelassen hat, weil ihm die Beziehung zu dir letztendlich wichtiger war als seine Überzeugung. Begegnung und Bildung sind oft der Schlüssel zur Veränderung, und die Liebe ist einfach doch das Größte, auch größer als persönlicher (oder übernommener) Glaube.

      Liebe Grüße,
      Claudia

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